Siegfried Prütz 

Schmiedekünstler und Professor (1900-1939)

Heute weitestgehend in Vergessenheit geraten, war der Kunstschmied Siegfried Prütz in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts einer der bekanntesten und gefragtesten Schmiedekünstler seiner Zeit. Eines seiner bekanntesten, heute noch öffentlich zu sehenden Werke ist das Geländer an der Löwenbastion am Maschsee in Hannover.

Siegfried Prütz wurde am 21. April 1900 in Kiel als Nachfahre holsteinischer Metallschmiede geboren. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung als Zeichenlehrer war er nach dem 1. Weltkrieg wie viele andere stellenlos und ließ sich zum Schmied ausbilden.

Vom Zeichenlehrer zum Schmied

Siegfried Prütz erlernte das Schmiedehandwerk rasch, unterzog sich sämtlichen Prüfungen und brachte es in kaum nachvollziehbar kurzer Zeit zum Meister, wobei er gleichzeitig seinen einzigartigen Stil entwickelte. Die unverwechselbare Handschrift in Prütz' Schmiedekunst können Sie hier im Schmiedeschatz auf zahlreichen Abbildungen selbst entdecken.

Die Kunsthandwerkersiedlung Gildenhall - eine Utopie als Station

Im Alter von 23 Jahren war Siegfried Prütz Mitbegründer der Kunsthandwerkergenossenschaft Gildenhall. Gildenhall, heute ein Stadtteil Neuruppins, war ein Lebens- und Arbeitskonzept, das nach den Prinzipien des Bauhaus und des Deutschen Werkbundes wirkte. Der industriellen Massenfertigung sollte durch handwerkliche Qualitätsarbeit, durch eine Einheit von Handwerk und Kunst, eine wirtschaftliche Alternative entgegengesetzt werden. Letzten Endes scheiterte dieses Projekt einer Verbindung von Arbeit und Leben doch an den ökonomischen Widrigkeiten der Zeit. Die Weltwirtschaftskrise beendete das historische Projekt Gildenhall 1929. Im selben Jahr wurde Siegfried Prütz Professor für Metallgestaltung an der Kunstgewerbeschule in Hannover.

Professor für Metallgestaltung an der Kunstgewerbeschule Hannover

Dass Siegfried Prütz mit noch nicht einmal 30 Jahren schon zum Professor berufen wurde, zeugt von seiner Begeisterung, seine Fertigkeiten und Erfahrungen weiterzugeben. Als Professor an der Kunstgewerbeschule Hannover gab er einem großen Kreis angehender Schmiede Ausbildung und Inspiration. Zudem lag ihm viel daran, auch in Laien Begeisterung für sein Kunsthandwerk zu wecken.

Die Schmiede in Isernhagen

Nach seiner Berufung auf die Professur in Hannover erwarb Siegfried Prütz ein altes Bauerngut im Dorf Isernhagen im Norden Hannovers. In zäher Kleinarbeit verwirklichte er hier in Haus, Garten und Schmiedewerkstatt die Verbindung von Handwerk, Kunst und Leben. Sein Sohn Jan Prütz, später selbst Schmiedemeister und Lehrender, machte hier seine ersten Gehversuche im Schmieden und übernahm die nach dem Tod verwaiste Schmiede des Vaters im Jahre 1960.

Siegfried Prütz hatte zusammen mit seiner Frau Jutta sechs Kinder, vier Söhne und zwei Töchter, die, je nach Alter, alle ihre Aufgaben auf dem Hof zu erfüllen hatten. Wirtschaftliche Not kannte man im Hause Prütz zur Genüge. Die Bank, bei der Prütz seine Ersparnisse angelegt hatte, ging in der Wirtschaftskrise Pleite und er sah sein Geld nie wieder!. Prütz musste einen Privatkredit bei einem Fabrikanten aufnehmen, den er auch nicht mehr tilgen konnte, sodass 1932 schließlich ein Haftbefehl gegen ihn erging, der ihn zum Offenbarungseid zwang.

Der Mann mit der Ledertasche

Aus der finanziellen Not heraus war Siegfried Prütz gezwungen, in den folgenden Jahren auch Aufträge von der Wehrmacht anzunehmen. Leider gelang es nicht, wie im Grimm?schen Märchen, dass der Schmied am Ende den Teufel überlisten konnte. Prütz war, um Aufträge zu bekommen, auch genötigt, viel auf Reisen zu sein. Sein Markenzeichen, wenn er seine Kunden traf, war eine große Rindsledertasche mit blanken Metallbeschlägen. Aus dieser zog er dann gern einen Apfel und kommentierte es mit den Worten: "Sieh, das ist das einzige was ich von zu Hause habe, wenn ich hier an fremden Orten mich für anderer Leute Dinge plagen muss." Und holte er dann eines seiner Werkstücke aus der Tasche, zum Beispiel einen kunstvoll geschmiedeten Kerzenhalter, waren die Menschen tief beeindruckt davon, was für ein filigranes Kunstwerk aus einem Stück Eisen entstehen konnte.

"Es ist ein bisschen zu verspielt, darunter leidet der Eisencharakter"

Die einzigartige Kunst des Schmiedemeisters Siegfried Prütz ist, betrachtet man die hier im Schmiedeschatz gezeigten Werke, zeitlos funktional und schön. Zu seinen Arbeiten zählen sowohl Gebrauchsgegenstände wie Lampen, Türdrücker oder Kamingeräte, als auch Leuchter, ornamentaler Schmuck oder Lichthalter mit phantasievoll-anmutigen Motiven. Je genauer man die Werke betrachtet, desto erstaunlicher und rätselhafter erscheint seine Fähigkeit, die verspieltesten und filigransten Arbeiten aus einem einzigen Stück Eisen herauszuarbeiten. Siegfried Prütz wusste dabei aber genau, wann er seine Kunstfertigkeit zurückstellen musste, um die Einigkeit von Kunst, Form und Zweck nicht zu gefährden.

Der Schmiedeschatz des Siegfried Prütz

Siegfried Prütz starb mit nur 39 Jahren am 7. Mai 1939 in Baden Baden an den Folgen eines Magenleidens. Die Familie lebte nach seinem Tod in bitterer Armut. Sein Nachlass in Form von unzähligen Werkstücken und Arbeitsentwürfen sowie etwa 1000 Glasdiarahmen, auf denen Prütz seine Arbeiten von Anfang an detailliert dokumentiert hat, befindet sich heute im Besitz von Andreas Rimkus und der KulturFeuerStiftung.

Darüber hinaus fanden sich im Nachlass bis dato unbekannte, Bilder mit überwiegend Naturmotiven, mit Pastellkreide koloriert und teils auf Butterbrotpapier gezeichnet. Auch weit über 100 originale Entwufszeichnungen exestieren noch.

Das umfangreiche Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und das Leben und Werk Siegfried Prütz? in Erinnerung zu halten, ist das Anliegen und Ziel des Schmiedeschatzes. Neben dem virtuellen Museum gelang es Andreas Rimkus und der Kulturfeuerstiftung, die alte Prütz'sche Schmiede vor der Zerstörung zu retten und im Glashaus in Sorsum bei Wennigsen wieder aufzubauen. Hier finden heute - sicherlich ganz im Sinne Siegfried Prütz' - Schmiedekurse für Jugendliche statt. Im Nachlass warten noch viele Dokumente darauf, die faszinierende Lebensgeschichte Siegfried Prütz' bekannt zu machen.